Soziale Wohnungspolitik in Wien

Shownotes

Hier sind der Video-Mitschnitt des Vortrags und die Präsentation als PDF-Datei abrufbar: https://boell-bremen.de/de/2023/09/12/soziale-wohnungspolitik-wien

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00:00:00: [Musik]

00:00:10: Danke schön. Zunächst einmal vielen Dank für die Einladung. Es freut mich sehr, hier sein zu dürfen.

00:00:16: Ich war noch nie in Bremen und ich freue mich dementsprechend noch mehr als bei diesem Stadtentwicklungskampf dabei zu sein.

00:00:23: Ich arbeite für Wiener Wohnen. Wir sind Europas größte kommunale Hausverwaltung mit mehr als 4.000 Mitarbeiterinnen.

00:00:31: Und ich bin, wie schon gesagt worden, ist beim Bereich International Relations tätig.

00:00:36: Das heißt, unsere Aufgabe besteht darin, das Wiener Modell des sozialen Wohnbaus zu präsentieren.

00:00:41: Einerseits durch Präsentationen vor internationalen Delegationen und andererseits mittels Ausstellungen, die wir im Ausland zeigen.

00:00:50: Und ich werde euch heute im Zuge meiner Präsentation das Wiener Wohnbaumodell vorstellen und die wichtigsten Bausteine unseres Systems erklären.

00:00:59: Und ich würde sagen, wir fangen gleich an mit ein paar Zahlen und Fakten.

00:01:04: In Wien leben derzeit 1,9 Millionen Menschen und mehr als die Hälfte davon lebt entweder im Gemeindebau oder im geförderten Wohnbau.

00:01:15: Wir haben in Wien nämlich 220.000 Gemeindewohnungen, die von Wiener Wohnen verwaltet werden und sich im Eigentum der Stadt Wien befinden.

00:01:23: Und ca. 200.000 Wohnungen, die mit Förderungen der Stadt errichtet werden und verwaltet werden von gemeinnützigen Bauvereinigungen.

00:01:31: Wir haben ca. 60 dieser Bauvereinigungen, die in Wien aktiv sind und in ganz Österreich sind an die 185.

00:01:40: Und nach der derzeitigen Prognose werden wir schon vor dem Jahr 2027 die 2 Millionenmarke erreichen.

00:01:47: Was bedeutet, dass wir dafür sorgen müssen, dass weiterhin ausreichend leistbarer Wohnraum für die Bevölkerung bereitgestellt wird.

00:01:58: Und dazu bedarf es in erster Linie eines nachhaltigen Finanzierungssystems.

00:02:02: Also die Finanzierung des sozialen Wohnbaus in Österreich erfolgt durch einen festvorbestimmten Teil der Einkommenssteuer.

00:02:09: Das ist der sogenannte Wohnbaufförderbeitrag.

00:02:12: Dieser Steuersatz ist durch ein Bundesgesetz geregelt und beträgt jeweils 0,5% des Protorgehals von Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeberinnen.

00:02:21: Und durch diese Steuer erhält Wien ca. 250 Millionen Euro für Wohnbauzwecke.

00:02:28: Es ist keine zweckgebundene Steuer, aber Wien verwendet das ganze Geld eben für den Wohnbau.

00:02:34: Und wie ihr sehen könnt, geben wir insgesamt aber weitaus mehr für Wohnbauzwecke aus, nämlich 440 Millionen Euro im Schnitt.

00:02:42: Und das kommt daher, dass Wien günstige Darlehen vergibt an Bauherren.

00:02:47: Diese werden dann abbezahlt und so entsteht ein revolvierender Fall.

00:02:51: Und diese Finanzierungsmethode über eine Steuerschaft, eine Grundlage für die Planung umfangreicher Wohnbauprogramme,

00:02:58: die bei einer rein marktabhängigen Politik einfach nicht möglich wäre.

00:03:03: Wir unterscheiden auch zwischen der sogenannten Objektförderung und Subjektförderung.

00:03:08: Also Objektförderung ist, wie auf der Folie sehen könnt, die Wohnbaufinanzierung, also die Finanzierung von Neubau und Renovierung.

00:03:15: Und die Subjektförderung sind die Wohnbeihilfen, die ausbezahlt werden an die Personen,

00:03:21: die sich nicht einmal die Mieten im Sozialsektor leisten können.

00:03:24: Und wir investieren weitaus mehr in die Objektförderung.

00:03:29: Und das machen wir deswegen, weil wir glauben, dass es besser ist, Geld in die Schaffung von ausreichend leistbaren Wohnraum zu investieren,

00:03:39: statt zu versuchen, mit Geld die Folgen von sozialer Ungerechtigkeit auszugleichen, nachdem es schon eigentlich zu spät ist.

00:03:48: Unser System hat viele Vorteile nicht nur für die Mieterinnen, sondern auch für die Gesellschaft im Ganzen.

00:03:55: Wie zum Beispiel gedeckelte Mieten. Also die Mieten im Gemeindebau entwickeln sich in Abhängigkeit vom Verbraucherpreisindex.

00:04:02: Wir haben dadurch, dass wir so viele leistbare Wohnungen haben, nämlich 220.000 Gemeindewohnungen und 200.000 geförderte Wohnungen,

00:04:12: auch einen positiven Preiseffekt auf den privaten Markt.

00:04:16: Wir haben auch ein starkes Mietrechtsgesetz, das unsere Mieterinnen schützt.

00:04:21: Die können in der Gewissheit leben, dass sie nicht zum finanziellen Vorteil eines Vermieters zwangsgeräumt werden.

00:04:26: Und unser System schafft uns sicher tausende von Arbeitsplätzen.

00:04:30: Ein ganz besonderes Anliegen von uns ist der soziale Mix, die soziale Durchmischung.

00:04:35: Also unsere Sozialwohnungen sind in der ganzen Stadt verteilt.

00:04:39: Sprich, es ist unmöglich, das Einkommen eines Menschen zu bestimmen auf der Basis seiner oder ihrer Adresse.

00:04:48: Und das verhindert dann Segregation und Stigmatisierung.

00:04:52: Und all das trägt zu der hohen Lebensqualität bei, für die Wien so bekannt ist.

00:04:57: Und werfen wir nun einen Blick auf den Wiener Wohnungsmarkt.

00:05:03: Also die Mieten im kommunalen und geförderten Sektor sind mehr oder weniger gleich.

00:05:08: Die Mietverträge sind hier immer unbefristet.

00:05:11: Und das Besondere ist, man kann die Wohnungen sogar an die Kinder oder die Enkelkinder weitergeben.

00:05:16: Die Richtwertmiete für eine Gemeindewohnung beträgt 6,67 Euro.

00:05:22: Das ist exklusiver Steuern- und Betriebskosten.

00:05:25: Und diese Richtwertmiete orientiert sich an einem Referenzwert.

00:05:29: Der ist in nationaler Gesetzgebung festgelegt und entwickelt sich eben entsprechend den Verbraucherpreisindex.

00:05:37: Die Mieten im geförderten Sektor sind eben mehr oder weniger gleich.

00:05:41: Währenddessen die Mieten auf dem privaten Markt im Schnitt circa 10,50 Euro betragen,

00:05:47: wobei sie auch deutlich höher ausfallen können.

00:05:53: Zudem sind zwei Drittel der Mietverträge auf dem privaten Wohnungsmarkt befristet.

00:05:57: Mindestbefristung sind drei Jahre, was dann natürlich auch mit einer unberechenbaren und finanziell belastenden Situation einhergeht.

00:06:05: Doch Wien ist anders als der Rest Österreichs, denn in Wien spielt Wohnungseigentum eine vergleichsweise geringe Rolle.

00:06:15: Also wir sehen können, in Wien sind 19 Prozent der Wohnungen und Häuser im Privateigentum

00:06:20: und im Rest Österreichs sind das an die 50 Prozent.

00:06:24: Und dafür ist aber der Anteil von Wohnungen im gemeinden Eigentum in Wien bedeutend höher.

00:06:30: Also im 29 Prozent im Vergleich zum Rest Österreichs mit 16.

00:06:36: Und Wien ist eine Stadt der Mieterinnen.

00:06:39: 76 Prozent wohnen in einer Mietwohnung und das ist nur möglich, weil die Situationen für Mieterinnen in Wien eben so sicher ist.

00:06:48: Die Wohnungen sind leistbar und von guter Qualität.

00:06:51: Und das wird vor allem auch durch unsere gesetzliche Lage ermöglicht.

00:06:56: Die folgenden Gesetze bilden die Basis unseres Wohnbausystems.

00:07:01: Zum einen haben wir das Wiener Wohnbaufförderungsgesetz.

00:07:04: Das ist eines von neuen regionalen Gesetzen.

00:07:07: Und dieses Gesetz enthält die Bestimmungen zur Förderung des Wohnungsneubaus und der Sanierung.

00:07:13: Also das ist dann die Objektförderung und es regelt auch die Wohnbeihilfen, die sogenannte Subjektförderung.

00:07:19: Was die nationale Gesetzgebung anbelangt, haben wir das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.

00:07:24: Das legt die Grenzen und Pflichten der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften fest,

00:07:28: wie zum Beispiel die Berechnung der Mieten oder die Reinvestition von Überschüssen.

00:07:33: Und ein weiteres nationales Gesetz ist das österreichische Mietrechtsgesetz.

00:07:38: Das habe ich schon erwähnt, dass es eben ein starkes wohnungspolitisches Instrument, das dem Schutz der Mieterinnen dient.

00:07:44: Und wie bereits erwähnt, besteht unser System des sozialen Wohnbaus eigentlich aus zwei verschiedenen Systemen,

00:07:53: nämlich aus dem Gemeindebau und dem geförderten Wohnbau.

00:07:56: Also der Gemeindebau liegt im Eigentum der Stadt Wien und wird von Wiener Wohnen verwaltet.

00:08:01: Es gibt kein Eintrittsgeld, also keine Marklergebühren, keine Kaution und das sind an die 220.000 Wohnungen.

00:08:09: Und dann gibt es noch den geförderten Wohnbau, das sind eben an die 200.000 Wohnungen,

00:08:13: der wird mit Fördergeldern der Stadt Wien errichtet und befindet sich eben im Eigentum der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften.

00:08:20: Und hier gibt es einen großen Unterschied, denn wer in diesem Sektor wohnen möchte,

00:08:25: der muss einen Teil der Finanzierungskosten mittragen.

00:08:28: Also da gibt es durchaus ein Eintrittsgeld, das ist der sogenannte Finanzierungsbeitrag

00:08:33: und der kann zwischen 250 und 350 Euro pro Quadratmeter betragen.

00:08:38: Also teilweise muss man mit Beträgen von 20.000 bis 40.000 Euro rechnen.

00:08:43: Und der verringert sich aber jährlich, der ist zu bezahlen, sobald man einzieht

00:08:48: und der wird jährlich um 1% verringert.

00:08:52: Und wenn man dann den Mietvertrag aufkündigt und auszieht, dann bekommt man den Betrag, den man einbezahlt hat,

00:08:58: minus die Anzahl der Jahre.

00:09:00: Also zum Beispiel man sieht für 10 Jahre in so einer Wohnung, sieht nach 10 Jahren wieder aus.

00:09:04: Also man bekommt das, was man einbezahlt hat, minus 10%.

00:09:08: Und deswegen, wenn man eine ältere geförderte Wohnung findet, dann muss man entweder weniger zahlen

00:09:14: oder wenn man ganz viel Glück hat, dann auch vielleicht gar nichts, weil schon alles abbezahlt worden ist.

00:09:22: Und was muss man tun, um eine leistbare Wohnung in Wien zu erhalten?

00:09:26: Die Vergabekriterien sind in beiden Systemen gleich.

00:09:30: Also das Mindestalter ist 18 Jahre bei Vertragsunterschreibung.

00:09:34: Das maximale monatliche Einkommen darf bestimmter Einkommensgrenzen nicht überschreiten.

00:09:39: Die zeich ich dann auf der nächsten Folie.

00:09:41: Man muss mindestens zwei Jahre in Wien schon gewohnt haben an derselben Adresse.

00:09:46: Und man muss die österreichische Staatsbürgerschaft haben oder aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union kommen

00:09:53: oder einen gleichwertigen Status haben.

00:09:55: Das heißt, Norwegen, Liechtenstein, Island, Schweiz geht auch.

00:09:59: Oder Drittstaatsangehörige mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung oder Flüchtlinge mit anerkannten Asylstatus.

00:10:05: Aber diese zwei Jahre sind eben Voraussetzung, um sich anmelden zu können.

00:10:10: Und um eine gemeinde Wohnung zu bekommen, muss man noch extra dazu einen begründeten Wohnbedarf vorweisen.

00:10:16: Das heißt zum Beispiel die Überbelegung der vorherigen Wohnung oder wenn man eine barrierefreie Wohnung braucht aufgrund von Alter oder Krankheit.

00:10:25: Wir haben auch eine Reservierung für Menschen unter 30 Jahren, um Menschen, die noch hier alleine gewohnt haben,

00:10:32: einen Staat ins Leben, ins selbstständige Leben zu ermöglichen.

00:10:35: Es gibt auch die Kategorie für Alleinerziehende, weil wir eine steigende Zahl von Alleinerziehenden in Wien haben.

00:10:42: Und wir versuchen, unser System an die sich verändernden Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen.

00:10:47: Und ein weiterer Grund wäre zum Beispiel getrennte Haushalte als Folge einer Scheidung.

00:10:53: Und die Einkommensgrenzen sind auch dieselben, also sowohl für den Zugang zum kommunalen und zum geförderten Mietsektor.

00:11:02: Das maximale monatliche Einkommen darf nicht höher sein als 3810 Euro netto pro Person, also für eine Person.

00:11:10: Und dann eben circa 5602 Personenhaushalt und so weiter.

00:11:14: Und das sind wirklich hoch angesetzte Einkommensgrenzen, denn 75 Prozent der Wiener Bevölkerung verdient weniger.

00:11:22: Das durchschnittliche Monatseinkommen beträgt 1600 Euro netto pro Monat.

00:11:27: Und wir haben diese hohen Einkommensgrenzen, weil wir den Zugang zum sozialen Wohnungsbestand auch den Verdienerinnen mittlere Einkommen ermöglichen wollen.

00:11:37: Denn unsere Wohnbaupolitik möchte sich in ihrer gesellschaftspolitischen Funktion an breite Gruppen der Bevölkerung richten.

00:11:45: Und im Mittelpunkt steht für uns immer die soziale Durchmischung.

00:11:48: Deshalb haben wir keine Stigmatisierungstendenzen oder gefährlichen Gegenden.

00:11:52: Und wir wollen die Durchmischung nicht nur in der Stadt haben, also auf Stattebene, sondern auch wirklich in den Wohnkomplexen.

00:12:02: Und hier seht ihr unseren allerersten Gemeindebau, den sogenannten Metzleinstallerhof im fünften Bezirk.

00:12:09: Und wir werden uns jetzt den kommunalen Wohnungsbau noch genauer ansehen.

00:12:14: Also die Gemeindewohnungen werden eben von Wiener Wohnen verwaltet.

00:12:19: Wir sind mit über 4.000 Mitarbeiterinnen, davon 3.000 Hausbesorgerinnen die größte kommunale Hausverwaltung in Europa.

00:12:28: Und wir betreuen insgesamt 1.800 Wohnhausanlagen mit 220.000 Wohnungen, 5.500 Geschäftslokale und Arztpraxen und fast 50.000 Garagen und Abstellplätze.

00:12:41: Und wie bereits erwähnt, sind unsere Wohnkomplexe in der gesamten Stadt verteilt.

00:12:46: Das könnt ihr hier sehen.

00:12:47: Wir haben Gemeindewohnungen sogar im ersten Bezirk, im Stadtzentrum und auch hier in den Vierteln, die bekannter für sind, dass sich dort besonders viele Willen befinden.

00:12:58: Also das sind eher Viertel, die bekannter für sind, dass sie teurer sind.

00:13:02: Aber selbst hier haben wir Gemeindebauten.

00:13:05: Und aus diesem Grund haben wir eben diese, ist es unmöglich zu sagen, wie viel eine Person verdient oder was ihr sozialer Status ist auf der Basis der Adresse.

00:13:20: Und wichtig zu erwähnen ist auch die Geschichte des Gemeindebaus.

00:13:25: Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts sah die Situation noch ganz anders aus.

00:13:29: Tatsächlich hatte Wien die schlechteste Wohnsituation in Europa.

00:13:33: Wir waren damals zwei Millionen, also eine Zahl, die wir bald wieder erreichen werden.

00:13:38: Ein Großteil der Bevölkerung lebt auf engstem Raum in erhamlichsten Verhältnissen.

00:13:42: Die Wohnungen hatten meistens nur eine Wassentnahmestelle und eine Toilette am Gang.

00:13:47: Die Küchen sind vom Gang aus belüftet worden.

00:13:50: Es gab eine extrem dichte Belegung.

00:13:52: Wir hatten auch 170.000 sogenannte Bettgeherinnen.

00:13:56: Das waren Menschen, die sich gar keine Wohnung leisten konnten

00:13:59: und andere dafür bezahlen mussten, in ihrem Bett zu schlafen, während die anderen arbeiten waren.

00:14:04: Es ist ein Rotationssystem entstanden, was natürlich auch Krankheiten gefördert hat.

00:14:09: Die Tuberkulose war sogar als Wiener Krankheit bekannt.

00:14:13: Und war eine typische Volkssäuche, die hauptsächlich die Arbeiterschaft betroffen hat.

00:14:18: Und nach dem Ersten Weltkrieg, als dann die Sozialdemokraten die Regierung übernahm,

00:14:23: kamen die ersten Veränderungen.

00:14:26: Nämlich hat Finanzstadtrat Hugo Breitner ein neues Besteuerungssystem eingeführt.

00:14:30: Und er hat sogenannte Luxussteuern auf die Ausgaben der Wohlhaben.

00:14:34: Er hat die Ausgaben der Wohlhabenden besteuert.

00:14:37: Das waren zum Beispiel Haushaltshilfen, Pferderinnen, Champagner, teure Autos.

00:14:41: Ihr könnt euch vorstellen, die waren überhaupt nicht der Freude darüber.

00:14:44: Aber das hat dann eben unsere Wohnbauprojekte ermöglicht.

00:14:50: Und gebaut haben wir dann bis 1934.

00:14:54: Dann kam das Ende der Demokratie mit dem Austrophaschismus danach der Zweite Weltkrieg.

00:14:58: Und nach dem Zweiten Weltkrieg waren 87.000 Wohnungen zerstört, 35.000 Menschen waren obdachlos.

00:15:05: Dementsprechend stand es im Mittelpunkt des Interesses der Stadtverwaltung,

00:15:10: möglichst viele Wohnungen möglichst schnell zu schaffen.

00:15:13: Und wir haben bis 1960 wieder aufgebaut.

00:15:19: Und dann um 1960 begann die Phase der Stadterweiterung.

00:15:23: Da haben wir dann in den Außenbezirken begonnen, mehr zu bauen.

00:15:26: Und heute sind die Herausforderungen andere.

00:15:29: Aber die Prinzipien des roten Wien, also die Schaffung von qualitativ hochwertigen Wohnungen

00:15:34: und von gesunden Wohnsituationen stehen heute noch im Fokus unserer Wohnbaupolitik.

00:15:39: Und apropos Herausforderungen, wir müssen aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen

00:15:46: natürlich eben genügend leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen.

00:15:50: Deswegen hat die Stadt Wien jetzt das Projekt Gemeinde Wohnungen neu ins Leben gerufen.

00:15:55: Wir bauen derzeit 4.000 neue Gemeindewohnungen.

00:15:58: Beispiel davon könnt ihr hier sehen.

00:16:00: Und wir müssen aber auch gleichzeitig den demografischen Wandel im Auge behalten.

00:16:05: Denn mit ihm entstehen neue spezifische Bedürfnisse,

00:16:08: auf die wir ein Auge haben sollten und die wir berücksichtigen sollten.

00:16:11: Zum Beispiel die Zahl der älteren Menschen steigt kontinuierlich.

00:16:15: Und deswegen müssen wir bei Renovierungen auch gleich barrierefreie Lösungen mitdenken

00:16:20: und bei Neubau-Projekten neue Wohnmodelle prüfen.

00:16:26: Aber unsere größte Herausforderung jetzt gerade ist die Decarbonisierung.

00:16:31: Nämlich von 220.000 Wohnungen sind 90.000 noch von Gas abhängig für Heizwärme

00:16:37: und/oder Wasseraufbereitung.

00:16:40: Und wir sind deswegen intensiv damit beschäftigt, die Umstellung der Heiz- und Warmwassersysteme

00:16:45: in allen Gemeindebauten zu prüfen und vorzubereiten.

00:16:48: Und an Standorten, die nicht mit Fernwärme versorgt werden können,

00:16:52: schauen wir eben, ob ein Umstieg auf eine Wärmepumpe zum Beispiel

00:16:55: in Kombination mit Photovoltaik möglich ist.

00:16:58: Und was wir aber nicht haben und was wir brauchen für diesen Umstieg,

00:17:01: sind rechtliche Rahmenbedingungen.

00:17:03: Weil der derzeitige rechtliche Rahmen lässt es nicht zu,

00:17:06: dass ein Energieträgerwechsel in der Wohnung geduldet werden muss.

00:17:10: Das heißt, die Mieterinnen können sagen, sie möchten das nicht

00:17:12: und dann können wir nichts machen.

00:17:14: Also da muss sich was ändern.

00:17:17: Und unsere Gemeindebauten sind, weil unser System schon so alt ist,

00:17:22: eben oft an die 100 Jahre alt.

00:17:24: Wir müssen sie daher auch auf den neuesten Stand der Technik bringen.

00:17:27: Und wir arbeiten bei Renovierungen deswegen auch mit der Denkmalschutzbehörde zusammen.

00:17:33: Und hier ist ein Beispiel einer Renovierung,

00:17:36: das ist eine Wohnhausanlage im 20. Bezirk aus den 1950er Jahren.

00:17:40: Und diese Renovierung hat drei Jahre gedauert.

00:17:43: Und wir haben hier zum Beispiel 78 neue Dachgeschosswohnungen gebaut,

00:17:47: 666 neue Balkone.

00:17:49: Wir haben Aufzüge angebracht, aber eben außen an der Fassade,

00:17:54: weil die Gänge zu eng waren, um das innen zu machen.

00:17:58: Dann haben wir barrierefreie Zugänge geschaffen,

00:18:01: auch barrierefreie Wohnungen mit Daten.

00:18:04: Und eine Wärmedämmung ist auch vorgenommen worden.

00:18:07: Und jetzt gerade haben wir 70 Gemeindebauten in einem Sanierungsprozess.

00:18:12: Und wir glauben auch fest daran, dass Wohnen eben nicht nur die eigenen vier Wände bedeutet

00:18:20: und nicht nur die eigene Wohnung, sondern auch das ganze Wohnumfeld.

00:18:24: Deswegen wollen wir unsere Mieterinnen aktiv unterstützen.

00:18:27: Wir haben deswegen ein Service-Center mit langen Öffnungszeiten und ein Service-Telefon,

00:18:32: das 24 Stunden, 7 Tage die Woche erreichbar ist.

00:18:36: Wir haben einen Trageservice für ältere oder gebehinderte Menschen,

00:18:40: wenn es zu Liftabschaltungen kommt, im Zuge von Renovierungen oder wenn es einen Liftausfall gibt,

00:18:45: dann kann man diesen Trageservice kostenlos anheuern.

00:18:49: Wir haben auch ein mobiles Einsatsteam, das schneller hinverbietet im Notfall,

00:18:53: zum Beispiel bei Rohrbrüchen oder Bränden.

00:18:56: Unsere Hausbesorgerinnen sind in den Komplexen anzutreffen.

00:19:02: Sie sind der erste Kontakt zu Wiener Wohnen für die Mieterinnen

00:19:06: und sind zuständig für kleinere Reparatoren in den Wohnkomplexen.

00:19:10: Dann haben wir noch Wohnpartner, mit denen wir eng zusammenarbeiten.

00:19:13: Das sind 150 Sozialarbeiterinnen, die zuständig sind für Gemeinwesenarbeit,

00:19:18: Konfliktarbeit und Vernetzung im Gemeindebau, um die Nachbarschaft zu stärken

00:19:22: und auch Konflikte zu verhindern.

00:19:24: Die organisieren zum Beispiel gemeinsame Gartenarbeit oder gemeinsames Kochen

00:19:29: oder Schachspielen, wie auf der Folie sehen könnt.

00:19:32: Dann gibt es auch die Mieterinnenvertretung.

00:19:36: Die Mieterinnenvertreter haben Sonderrechte, wie zum Beispiel das Mitspracherecht

00:19:40: bei Renovierungen oder bei der Neugestaltung von Anlagen.

00:19:43: Sie können jetzt nicht bestimmen, wann eine Renovierung stattfindet,

00:19:46: aber wenn es dazu kommt, können Sie Ihre Ideen beisteuern.

00:19:49: Die vertreten im Sinne der Selbstbestimmung auch die Mieterinnen nach außen.

00:19:54: Für die, die sich nicht an die Wohnregeln halten wollen,

00:19:58: gibt es dann noch die Ordnungsberatung.

00:20:00: Die können Busgelder verhängen oder Beschwerde einreichen,

00:20:03: aber meistens erreicht es, dass die Mieterinnen einfach mehr ermahnen.

00:20:07: Und zu guter Letzt haben wir noch das Case Management.

00:20:13: Das sind Sozialarbeiterinnen, deren Aufgabe es ist, Räumungen zu verhindern.

00:20:18: Dieses Team hilft Mieterinnen, die sich in finanzieller Not befinden.

00:20:22: Und das machen sie zum Beispiel durch die Entwicklung von Ratenzahlungsplänen.

00:20:28: Und das Case Management konnte in 70 Prozent aller bisher von ihnen bearbeiteten Fällen

00:20:34: eine drohende Zwangsräumung abwenden.

00:20:36: Und das ist dann auch eine win-win Situation für alle,

00:20:39: weil jede verhinderte Delogierung menschliches Leid mit allen hergehenden psychischen Folgen verhindert

00:20:44: und gleichzeitig bedeutet weniger Obdachlosigkeit, höhere Lebensqualität in der Stadt.

00:20:50: Und jetzt noch ganz kurz zu den gemeinnützigen Bauvereinigungen.

00:20:56: Also in Wien haben wir eben 60 davon, wie bereits erwähnt.

00:21:00: Die legen die Mieten so fest, dass die Mieten die jeweiligen Kosten für Grundstücke,

00:21:05: Bauarbeiten, Verwaltung und Finanzierung abdecken.

00:21:07: Also das ist die Kostenmiete, die wird ein bisschen, also die wird anders berechnet als die im Gemeindebau.

00:21:12: Und diese Mieten enthalten auch eine Rücklage für Instandssetzungsarbeiten und langfristige Erhaltung.

00:21:18: Und diese Wohnbauvereinigungen dürfen nur in beschränkten Ausmaßgewinnerzielen

00:21:23: und sie müssen die Gewinne dann in den Erwerb von Grundstücken

00:21:26: und für Sanierungen und Neubauprojekte rückinvestieren.

00:21:30: Und hier seht ihr ein Beispiel, also das ist jetzt unser größtes Stadtentwicklungsgebiet in Wien.

00:21:36: Bis 2030 wird noch gebaut.

00:21:38: Also da wird alles errichtet vom geförderten Wohnbau.

00:21:41: Wir haben auch Gemeindebauten dort und private Bauern auch dort.

00:21:47: Und das ist die Größe von 340 Fußballfeldern, also 2,4 Quadratkilometer.

00:21:53: 10.000 neue Wohnungen entstehen und 20.000 neue Arbeitsplätze.

00:21:57: Wir wollen nämlich ein Mix aus Wohnen und Arbeiten haben, auch im Sinne der 15 Minuten Stadt bauen.

00:22:02: Also kurze Gehwege und viel Grün.

00:22:06: Und zuerst haben wir die Infrastruktur hingebaut, bevor der Wohnbau dort überhaupt hingekommen ist.

00:22:11: Also es gibt auch eine gute Verkehrsanbindung.

00:22:14: Und alle Straßen sind nach Frauen benannt.

00:22:17: Und wenn Wien eine Förderung der Stadt Wien erhalten möchte,

00:22:27: muss einen Bauträgerwettbewerb über sich ergehen lassen.

00:22:30: Und durch diese Maßnahme sichern wir Innovation und Qualität im geförderten Wohnbau.

00:22:35: Und diese Wettbewerbe werden vom Wohnfonds Wien durchgeführt.

00:22:39: Das ist der Fonds für Wohnbau und Stadterneuerung.

00:22:42: Das ist eine gemeinnützige Organisation, die im Auftrag der Stadt Wien agiert

00:22:45: und im wesentlichen drei Aufgabenbereiche hat.

00:22:48: Also eben die Bereitstellung von Grundstücken für den staatlich geförderten Wohnbau.

00:22:51: Da werde ich später noch ein paar Worte dazu sagen.

00:22:54: Dann die Überwachung der Restaurierung alter Häuser

00:22:57: und eben die Organisation von diesen Bauträgerwettbewerben.

00:23:00: Und wenn jemand für ein Projekt eine Förderung erhalten will,

00:23:03: dann muss er vier Qualitätskriterien erfüllen.

00:23:06: Also soziale Nachhaltigkeit, Architektur, Ökonomie und Ökologie.

00:23:10: Und jedes Projekt muss alle diese Qualitätskriterien erfüllen.

00:23:14: Also man kann nicht nur zwei oder drei erfüllen, sondern wirklich alle vier.

00:23:17: Und so wie das Projekt vorgestellt worden ist, so muss es dann auch implementiert werden.

00:23:21: Und deswegen gibt es eigentlich im geförderten Wohnbau eine höhere Qualität als im Freifinanzierten.

00:23:27: Ja, hier seht ihr unsere Stadtentwicklungsgebiete.

00:23:32: Hier ist die Aspansseestadt zu sehen, im größten Stadtentwicklungsgebiet.

00:23:36: Dann gibt es noch hier der Snordbahnviertel.

00:23:40: Ist auch ein neues, das ist auf einem aufgelassenen Bahnhofsareal gebaut worden.

00:23:45: Und es ist gerade eben viel los in Wien, was das anbelangt.

00:23:51: Und was wir auch haben, um eben weiterhin sicherzustellen,

00:23:55: dass wir weiterhin Leistbahnwohnraum in der ganzen Stadt schaffen.

00:23:59: Wir haben im Jahr 2018 unsere Bauordnung geändert

00:24:03: und die Kategorie geförderte Wohnungsbau eingeführt.

00:24:08: Und das bedeutet, dass wenn ein Grundstück in so eine geförderte Wohnzone eingeordnet wird,

00:24:14: dann müssen zwei Drittel der dafür geschaffenen Nutzfläche von geförderten Wohnungen belegt werden.

00:24:20: Und dadurch werden eben weiterhin in der Stadt leistbare Wohnungen gebaut.

00:24:26: Und dadurch haben wir weiterhin diese soziale Durchmischung.

00:24:29: Und der Grund dafür waren eben die ständig steigenden Grundstücks und Immobilienpreise.

00:24:35: Und was die Grundstücksreserven anbelangt, das habe ich schon erwähnt.

00:24:39: Dafür haben wir den Wohnfonds Wien, also den Fonds für Wohnbau und Stadt erneuerung.

00:24:44: Und der hält derzeit Grundstücksreserven in der Höhe von ca. 3,1 Millionen Quadratmeter.

00:24:50: Das sind hauptsächlich landwirtschaftliche Flächen oder Brachflächen.

00:24:57: Und nun kann man die Frage stellen, was davon ließe sich auf Bremen übertragen.

00:25:02: Es ist erwartungsgemäß unmöglich ein System in seiner Gesamtheit zu übertragen,

00:25:06: aber man kann das Wiener Modell auf bestimmte Prinzipien herunterbrechen.

00:25:10: Und das wäre zum Beispiel eben die Schaffung stabiler rechtlicher Rahmenbedingungen,

00:25:14: um den sozialen Wohnbau zu stärken.

00:25:16: Wir haben in Österreich, wie ich schon erwähnt habe, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.

00:25:20: Also das regelt die Aktivitäten des gemeinnützigen Sektors.

00:25:23: Und solche Gesetze bilden dann die starke Basis, auf der eben ein funktionierendes und transparentes System dann aufgebaut werden kann.

00:25:31: Auch wichtig ist eine Verpflichtung zu langfristiger Planung und verlässlichen Finanzierungsmodellen,

00:25:38: also revolvierende Systeme, Reinvestitionen von Überschüssen in Neubau und Renovierung.

00:25:43: Und durch diese Reinvestition bleibt das Geld im System, was im Laufe der Zeit dazu führt,

00:25:48: dass der Bedarf an neuen Investitionen der öffentlichen Hand sinkt.

00:25:52: Und es ist auch wichtig, die Investition eben auf die Schaffung von neuem Wohnraum zu konzentrieren,

00:25:58: statt große Sommengeld in Wohngeld zu investieren, da dieses Geld an die Vermieterinnen geht und dann dort auch bleibt.

00:26:04: Und ein gutes Wohnsystem kommt nicht nur den Mieterinnen zugute, sondern auch der Wirtschaft als Ganzes,

00:26:09: denn die Menschen sind dann durch die Wohnkosten nicht überlastet und können mehr Geld für andere Güter ausgeben.

00:26:15: Und was auch wichtig ist, ist die Gewährleistung von Partizipationssicherheit und Schutz der Mieterinnen.

00:26:21: Denn wenn der Mietsektor zugunsten der Mieterinnen reguliert wird,

00:26:24: dann ist der Besitz einer eigenen Wohnung nicht mehr die einzige Möglichkeit,

00:26:27: eine sichere Wohnsituation genießen zu können.

00:26:30: Und wenn die Menschen mitreden können, wenn sie zum Beispiel ihre Wünsche zu bestimmten Sanierungsmaßnahmen äußern können

00:26:36: oder zu neuen Projekten, dann entsteht auch ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit.

00:26:41: Und außerdem ist es einfach so, dass Menschen auch mehr Respekt für von ihnen mitgestaltete Räume haben.

00:26:47: Und das Anstreben einer sozialen Durchmischung in der Stadt, um soziale und territoriale Siegerregation zu verhindern,

00:26:55: das habe ich schon das öfteren erwähnt heute.

00:26:58: Ja, und hier noch meine Kontaktdaten, falls ihr mich kontaktieren wollt, dem mach ich noch.

00:27:04: Danke.

00:27:07: [Applaus]

00:27:09: [Musik]

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